Abstract
Dass sich die Wissenssoziologie mit der Hermeneutik verbunden hat zahlt zu den Besonderheiten der deutschen Soziologie. Die "hermeneutische Wissenssoziologie" steht in der Tradition einer deutlich mitteleuropaisch gepragten, geisteswissenschaftlich fundierten und zugleich empirisch arbeitenden Sozialwissenschaft. WEBER ist der bedeutsame Ausgangspunkt dieser Theorierichtung, die von SCHUTZ ihre mundanphanomenologische Fundierung und von BERGER und LUCKMANN ihre wissenssoziologische Konturierung erhielt. Ziel einer so verstandenen Soziologie ist die Rekonstruktion "Gesellschaftlicher Konstruktionen der Wirklichkeit". Ihre Vertreter teilen die Auffassung, dass es einer der empirischen Forschung entkoppelten – "reinen" – sozialwissenschaftlichen Theorieproduktion an epistemologischer Begrundungsfahigkeit ermangelt. Bestrebungen zu einer ahistorischen, allgemeinen Gesellschaftstheorie begegnen sie deshalb mit Skepsis. Umso dringender sind die Bemuhungen zur Fortsetzung einer Reflexion der epistemologischen Grundlagen und die Fortentwicklung methodologischer Begrundungen sowie methodischer Verfahren, die in dem hier besprochenen Band vorgelegt werden. Eine "hermeneutische Wissenssoziologie" lasst sich, so betonen die Herausgeber, begreifen als methodisch eingesetzte Skepsis gegenuber "positivem Wissen". Sie nimmt sich die "Entzauberung gesellschaftlicher Wirklichkeitskonstruktionen" vor, was die betonte Selbstkritik an den eigenen "Konstrukten der Soziologen" mit einschliest. Als auserst zeitgemas erweist sich das von den Vertretern der hermeneutischen Wissenssoziologie konsequent praktizierte, kollaborativ verfahrende (nicht kollektivistisch verengte!) Wissenschaftsverstandnis und die entsprechende Wissenschaftspraxis. In ihrer inneren Pluralitat, ihrem Interesse und ihrer Kooperationsbereitschaft gegenuber anderen Theorietraditionen sowie insbesondere in der Fahigkeit, auch die Beweggrunde, die gesellschaftlichen Nonsens motivieren, aufzudecken, liegen die wesentlichen Vorteile gegenuber anderen, hermetischeren Formen sozialwissenschaftlicher Analyse. URN: urn:nbn:de:0114-fqs020416
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