Wie man Wahrheit kontrolliert. Die Tendenz, ein Untersuchungsfeld und die Probleme innerhalb desselben autonom zu setzen, ist in der strukturalen (klassischen und generativen) Linguistik und in der analytischen Philosophie besonders stark. Diese Autonomisierung des Untersuchungsgegenstandes ist manchmal wegen der operationalisierenden Idealisierungen, die sie erlaubt, sehr fruchtbar ; aber allzu oft zwingt sie einen willkiirlichen und engen Rahmen auf, der, auch wenn er die formelle Simulation von Phänomenen erlaubt, keine Ableitung der dièse Phänomene organisierenden Prinzipien zulässt. Ein dafür typisches bedeutendes Gebiet ist das der «verbalen Akte» : die Philosophen liefern Taxonomien dieser Akte, die auf deren «Erfolgsbedingungen» beruhen, ohne sich um den sozialen Kontext zu sorgen und ohne die grammatikalischen Kennzeichen der Realisierung aufzuzeigen, während die Linguisten diese Probleme mit ihren Syntax-Instrumenten angehen : Transformationsregeln und abstrakte dahinterstehende Vorstellungen. Wir zeigen, dass die Prinzipien, die hier im Spiel sind, weder eng linguistisch, noch logisch sind, sondern sich eher auf die Natur symbolischer Akte und sozialer Rituale beziehen. Zwei dieser Prinzipien, die die Rituale und deren Entwicklung regeln, die Inkorporierung und Reduktion, stehen dauernd in Wechselwirkung mit dem Sprachgebrauch, um die «explizit performativen» Ausdrücke zu produzieren, und erklären deren vordergründig paradoxe Kennzeichen : grammatische Form, Wahrheitsbedingungen, Nicht-Performativität des Drohens, Beleidigens, etc., aufsichselbst bezogene und selbstverifizierende Aspekte. Um die Unzahl von Ausspracheintentionen desselben linguistischen Ausdrucks verstehen zu können, muss man die in den Modelltheorien angelegte Idee beschreibender Wahrheitswerte, die sich auf eine statische Welt beziehen, aufgeben. Ganz im Gegensatz dazu beziehen sich die Wahrheitswerte der Aussagen jeder Art verbaler Akte auf sozial kontrollierte und relativisierte Rituale. Daher gibt es nicht Aussagen auf der einen, Aussageintentionen auf der anderen Seite, die den ersteren übergestulpt sind : die Bedeutung der Ausdrücke verändert sich nicht, wohl aber ihre soziale Funktion in Abhängigkeit der Wechselwirkung derselben mit den Prinzipien, die das Ritual regeln. Die Interpretation der Aussage hängt daher gleichzeitig von den expliziten linguistischen Kennzeichen ab und von den sozialen hochstrukturierten Konventionen, die sich auf die Anwendungssituation beziehen. Diese letzten werden meist in eine unklare «Pragmatik» verwiesen,die vom «gesunden Menschenverstand» und der «Selbst-verständlichkeit» geregelt wird. Einige Texte von Jesuiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert über das Versprechen, die Luge und das Fluchen haben diese aussergewöhnliche Eigenschaft, die engen linguistischen Gesetze iiber die «Bedeutung» zu respektieren und gleichzeitig die üblichen Prinzipien der «pragmatischen» Interpretationen anzugreifen : der Angriff auf diese Prinzipien hat als Paradox zur Folge die Komplexität und Schwierigkeit ihrer Organisation aufzudecken, die unsere Hauptthese einer kontrollierten und relativierten Wahrheit stützt.