Reviewed by: Nazi Characters in German Propaganda and Literature by Dagmar C.G. Lorenz Sarah Kleinmann Nazi Characters in German Propaganda and Literature. By Dagmar C.G. Lorenz. Leiden: Brill, 2018. Pp. 175. E-book €79.00. ISBN 978-9004365261. Ende der 1990er Jahre habe ich als Jugendliche im Literaturunterricht meines Gymnasiums das Drama Draußen vor der Tür (1947) von Wolfgang Borchert gelesen. Ich erinnere mich daran, dass es mich aufgrund eines alterstypischen Weltschmerzes, zu dem gehörte, sich häufig missverstanden zu fühlen, besonders ansprach. Die problematischen Implikationen des Dramas wurden im Unterricht allerdings nicht thematisiert. So zeigt die Historikerin Dagmar C.G. Lorenz in ihrer 2018 erschienenen Studie Nazi Characters in German Propaganda and Literature, die ich folgend näher besprechen werde, dass in Borcherts Drama das Jahr 1945 als "ultimate collapse" und nicht als "liberation from a regime of terror" (125) angelegt sei und für die deutsche Nachkriegsgesellschaft "a silent consensus about collective victimhood" (127) bereitgehalten habe, der es rasch popularisierte. Seine Beliebtheit war es, die das Stück "a staple play in German school syllabi" (126) werden ließ—auch noch Ende der 1990er Jahre. Das Drama von Borchert ist nun eines von 25 Werken, die Dagmar C.G. Lorenz in ihrer historisch-literaturwissenschaftlichen Studie in den Blick nimmt. Hierbei setzt sie nationalsozialistische Akteure und Akteurinnen, wie sie in historischen völkischen, nationalsozialistischen Texten konstruiert wurden, zu zeitgenössischen kritischen Nazi-Darstellungen in antifaschistischen Arbeiten in Beziehung; der Untersuchungszeitraum reicht dabei von der Zeit des Ersten Weltkrieges bis in die [End Page 627] 1950er Jahre. Derartige "Nazi characters as ideological signifiers" (1), so Lorenz, hätten bislang kaum wissenschaftlich Beachtung erfahren. Die Studie besteht aus den drei Teilen "The Origins and Conceptualization of Nazi Figures after the First World War," "Contested Nazi Characters" und "The Problem of Nazi Identity and Representation after 1945." Im ersten Teil analysiert Lorenz das Parteiprogramm der NSDAP (1920), die Novelle Die Sünde wider das Blut (1917) von Artur Dinter, Rassenkunde des deutschen Volkes (1922) von Hans F.K. Günther, Mein Kampf (1925) von Adolf Hitler und Der Mythus des Zwanzigsten Jahrhunderts (1930) von Alfred Rosenberg. Diesen antisemitischen, rassistischen Texten mit ihren völkischen Sozialentwürfen stellt Lorenz oppositionelle zeitgenössische Erwiderungen gegenüber: Die Dinte wider das Blut. Ein Zeitroman (1921) von Hans Reimann, Die Stadt ohne Juden. Ein Roman von übermorgen (1922) von Hugo Bettauer, Das Spinnennetz (1923) von Joseph Roth und Die jüdische Mutter (geschrieben 1930–1931, veröffentlicht 1965) von Gertrud Kolmar. Im zweiten Teil nimmt sich Lorenz zunächst antifaschistischer Literatur an, welche um den politischen Übergang von der Weimarer Republik in die Diktatur des NS-Staates in den Jahren 1932–1933 kreist: Die Geschwister Oppenheim (1933, später neu mit Die Geschwister Oppermann betitelt) von Lion Feuchtwanger, Die Rassen (1934) von Ferdinand Bruckner und Professor Mamlock (geschrieben 1933, uraufgeführt 1934) von Friedrich Wolf. Es folgt eine Auseinandersetzung der Autorin mit der Inszenierung der NS-Volksgemeinschaft in dem Propagandafilm [sic] Triumph des Willens (1935) von Leni Riefenstahl, bevor Lorenz sich mit Darstellungen von NS-Charakteren in antifaschistischer Exil-Literatur beschäftigt. Hier werden Unsere Töchter, die Nazinen (1935) von Hermynia zur Mühlen, Mephisto (1936) von Klaus Mann, Furcht und Elend des Dritten Reiches (geschrieben ab 1934, publiziert in Deutschland 1948) von Bertolt Brecht, Die Schildkröten von Veza Canetti (geschrieben 1939, veröffentlicht 1999) und Der Ausflug der toten Mädchen (1946) von Anna Seghers diskutiert. Im dritten Teil der Studie geht es um Nazi-Repräsentationen nach 1945. Unter der Überschrift "Processing defeat" widmet sich Lorenz den Erinnerungen von Rudolf Höß, Kommandant in Auschwitz: autobiografische Aufzeichnungen (1958), sowie dem Bericht Eine Frau in Berlin (veröffentlicht auf Englisch 1954, auf Deutsch 1955) von Marta Hillers und dem Kriegstagebuch (veröffentlicht 2010) von Ingeborg Bachmann. Im folgenden Abschnitt "Writing about Nazis—a postwar dilemma" geht es abschließend um Des Teufels General (1946) von Carl Zuckmayer, das eingangs erwähnte Drama Draußen vor der Tür von Wolfgang Borchert, Der Zug war pünktlich (1949) von Heinrich Böll und Die größere Hoffnung (1948) von Ilse Aichinger. Ein Befund von Dagmar C.G. Lorenz lautet, dass...