Abstract

Die Krise des Protestantismus in der Moderne ist eine Krise des Schriftprinzips. Der Verlust des Schriftprinzips lässt sich deuten als der Verlust der Kategorie der Textualität der Schrift im Prozess der modernen Transformationen des Schriftprinzips. Dieser Aufsatz versucht diese Kategorie wiederzugewinnen, zunächst im Rückgriff auf einen pragmatischen Verstehensbegriff, der an der Philosophie des späten Wittgenstein gewonnen wird: Wir lernen Sprache immer in pragmatischen Kontexten zu verstehen. Darum ist Verstehen zunächst vor allem eine Sache des Verhaltens und Reagierens auf Sprache. Mit Hilfe dieses Verstehensbegriffes wird dann die altlutherische Lehre von der Schrift am Beispiel des theologischen Systems von Johann Andreas Quenstedt (1685) reinterpretiert. Die Lehre von der Verbalinspiration kommt so im Kontext eines Begriffes praktisch-präpropositionalen Verstehens der Heiligen Schrift in den Blick, der insbesondere die Passivität des Lesers und das Handeln des Heiligen Geistes durch das Medium des Textes (Wirksamkeit der Schrift) betont. Der Text gewinnt gerade in seiner Materialität Autonomie sowohl gegenüber den Lesern als auch gegenüber seinen Autoren. Dabei wird die Textwerdung des Wortes vom Ziel des Evangeliums, dem Heil der ganzen Menschheit, her begründet. Die Kirche legt, in dem sie die Materialität des biblischen Textes (seine Textualität) in der Inspirationslehre pneumatologisch interpretiert, Zeugnis von ihrem ihr externen Grund ab: dem Wort Gottes, das sie in diesen Texten hört.

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