Abstract

Insgesamt nehmen Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit von Alkohol und Nikotin im Alter weltweit ab. Angesichts der demografischen Entwicklung ist allerdings von einer steigenden Zahl älterer Patienten mit Abhängigkeitsproblematik auszugehen. Anders dagegen stellt sich die Sachlage beim Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit dar. Hier sind insbesondere Benzodiazepine führend. Während die Hochdosisabhängigkeit selten ist, besteht doch bei etwa der Hälfte der Benzodiazepinkonsumenten eine Low-dose-Abhängigkeit. Dennoch scheint die Behandlung älterer Suchtkranker in suchtspezifischen Institutionen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Nachfrage nach psychotropen Substanzen und deren Verordnung steigt insbesondere im höheren Alter an, was die Verantwortlichkeit der behandelnden Ärzte, aber auch der Patienten und ihrer Pflegepersonen deutlich macht. Neben Missbrauch und Abhängigkeit sind bei älteren Menschen die alterstypischen physiologischen Veränderungen des Organismus mit den dazugehörigen Auswirkungen auf die Pharmakokinetik und Wechselwirkungen zu berücksichtigen, die über den verlangsamten Abbau zu einer relativen Dosissteigerung und zu einem erheblich gravierenderen Nebenwirkungsprofil führen. Suchtspezifische Therapiemaßnahmen sind teilweise auch für ältere Menschen untersucht, der Erfolg solcher Maßnahmen ist mit dem jüngerer Menschen vergleichbar. Ein therapeutischer Nihilismus gegenüber Älteren ist daher nicht angezeigt. Im Gegenteil sprechen die erhöhte Nebenwirkungsrate und das erhöhte Risiko kognitiver und motorischer Einschränkungen im Alltag für eine spezifische Behandlung auch im höheren Alter. Anzustreben ist ein schrittweiser, möglichst ambulant mit sozialer Unterstützung durchzuführender Entzug mithilfe einer langwirksamen, fein abdosierbaren Überbrückungssubstanz. Teilweise sind zusätzlich übergangsweise Antiepileptika oder sedierende Antidepressiva notwendig. Eine konkrete Zielplanung unter Einbezug individueller psychosozialer und medizinischer Erfordernisse ist hilfreich. Auch wenn die vollständige Abstinenz nicht immer erreicht werden kann, führt jede Reduktion der gewohnten Medikation zur Verbesserung der Nebenwirkungsbelastung.

Full Text
Published version (Free)

Talk to us

Join us for a 30 min session where you can share your feedback and ask us any queries you have

Schedule a call