Abstract

Der Artikel widmet sich einer der am wenigsten untersuchten Episoden der scheinbar grundlich erforschten Biographie Andrej Tarkovskijs: der nie realisierten Verfilmung des Romans Der Idiot. Dieser Film – der nur auf dem Papier existierte – wird hier aus einer Zeitperspektive betrachtet, wobei ich mich hauptsachlich auf Tarkovskijs Tagebucheintrage zu Der Idiot stutze, die im Laufe eines ganzen Jahrzehnts immer wieder in seinen Tagebuchern auftauchten. Eine solches langfristige Vorhaben ermoglicht es, eine einzelne Idee im Kontext der Entwicklung von Absichten und Uberzeugungen des Regisseurs zu analysieren, da die Kommentare zu Der Idiot fast immer die Fragen widerspiegelten, die er sich bei der Arbeit an anderen Filmen stellte, als ob der Roman Dostojevskijs als eine Art Indikator, oder Spiegel, diente, um eigene Entscheidungen damit in Einklang zu bringen. Wahrend ich im Rahmen einer dokumentarischen Rekonstruktion bleibe, werde ich auch versuchen, Verallgemeinerungen und Annahmen uber einige Schlusselmotive von Tarkovskijs Werk zu formulieren: uber sein vielfaltiges Interesse an Dostojevskijs Personlichkeit und seiner Poetik, seine kunstlerische Wahrnehmung weiblicher Figuren, seine Herangehensweise an Verfilmungen literarischer Werke usw. Abschliesend mochte ich klarstellen, dass die Grunde, warum Tarkovskij seine Idee nicht umgesetzt hat, nicht auf den Widerstand von Goskino beschrankt sind, auf den gewohnlich bei der Diskussion von Der Idiot – sicherlich einer der bedeutendsten nicht realisierten Filme in der Geschichte des sowjetischen Kinos – Bezug genommen wird.

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