ZusammenfassungDie Mitte der 1970er Jahre gegründete Stiftung Ökologischer Landbau (SÖL) trat an, den ökologischen Landbau in der Bundesrepublik zu fördern. Zu diesem Zweck führte sie Protagonisten aus Wissenschaft und Umweltbewegung zusammen, die unter Rückgriff auf die wissenschaftlich geprägten Konzepte des natürlichen und biologischen Landbaus der 1920er und 1930er Jahre eine Wissensgrundlage für den ökologischen Landbau aufbauen sollten. Anhand der Gründungsgeschichte, Struktur und Arbeit der SÖL lässt sich zeigen, dass Zeitlichkeit eine wesentliche Rolle bei der Etablierung alternativer Wissensbestände spielte. Entgegen dem etablierten Modell linearen wissenschaftlich-technologischen Fortschritts ging es um die Rückbesinnung auf Wissensbestände und Praktiken, die in vorhergegangenen Prozessen des Vergessens und der Marginalisierung aus dem wissenschaftlichen Wissenskanon, aber auch aus der landwirtschaftlichen Praxis verschwunden waren. Dies zeigt sich am Beispiel der sogenannten Spatendiagnose, einer in den 1930er Jahren von Bodenbiologen entwickelten Methode zur Beurteilung des Ackerbodens. Konzepte und Praxis des Gegenwissens liefen auf ein Modell konservativer Modernisierung im ökologischen Landbau hinaus.