ZusammenfassungHintergrundBeim Antibiotika-Verordnungsverhalten bestehen deutliche regionale Unterschiede. Die Ursachen dafür sind noch weitgehend unklar. Neben demografischen und morbiditätsbezogenen spielen auch arztindividuelle bzw. „kulturelle“ Faktoren eine Rolle. Um diese besser einordnen zu können, ist eine differenzierte Analyse unter Einbezug von Diagnosedaten erforderlich.MethodenEs erfolgte eine Sekundärdatenanalyse der über die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) verfügbaren Infektionsdiagnosen bzw. Antibiotikaverordnungen von ambulant tätigen Kinderärztinnen und -ärzten im KV-Bezirk Bielefeld der Jahre 2015–2018. Zusätzlich erfolgten algorithmisierte 1:1-Verknüpfungen von Diagnosen und Verordnungen.ErgebnisseAusgewertet wurden 28.248 Verordnungen bei 262.969 Arzneimittelpatienten (AMP) sowie 90.044 Diagnosen, mit 11.131 1:1-Verknüpfungen. Circa 40 % der Verordnungen konnten somit einer Diagnose zugeordnet werden. Mit Blick auf das Verordnungsverhalten einzelner Praxen fanden sich, adjustiert auf die Nennergröße AMP, trotz vergleichbarer Alters- und Geschlechtsstruktur, z. T. deutliche Unterschiede. Dies betraf sowohl die Verordnungshäufigkeit als auch die Zusammensetzung der verordneten Substanzgruppen.DiskussionDie gefundenen Varianzen im Verordnungsverhalten auf Praxisebene sind weder durch die demografische Zusammensetzung noch durch unterschiedliche Morbiditäten der jeweiligen Klientel hinreichend erklärbar. Individuelle Einstellungen bzw. lokale Verordnungskulturen dürften eine relevante Rolle spielen. Hierin liegt ein wichtiger Ansatz für Antibiotic Stewardship (ABS). Die dargelegte Methodik bietet sich über das vorgestellte Gebiet der ambulanten Pädiatrie hinaus als Modell für die detailliertere Analyse auch in anderen ambulanten Fachgruppen an.