HintergrundIn der prähospitalen Versorgungsphase schwer verletzter Patienten steht die Stabilisierung der Vitalparameter im Vordergrund. Die zügige und möglichst genaue Einschätzung des vorliegenden Verletzungsmusters durch den Notarzt ist entscheidend für die Auswahl der Zielklinik und die Initialbehandlung.Ziel der ArbeitZiel dieser Studie ist es zu eruieren, welchen Einfluss die notärztliche Einschätzung der Verletzungsschwere auf die prähospitale Versorgung und die Schockraumbehandlung hat.Material und MethodenEs erfolgt eine Analyse der Daten des TraumaRegister DGU® im Fünfjahreszeitraum von 2015–2019 innerhalb Deutschlands. Die prähospitale notärztliche Einschätzung des Verletzungsmusters wurde anhand des Notarzteinsatzprotokolls erfasst und mit den innerklinischen dokumentierten Diagnosen gemäß den Abbreviated Injury Scale Codes abgeglichen.ErgebnisseInsgesamt wurden 47.838 Patienten mit einem durchschnittlichen Injury Severity Score (ISS) von 18,7 Punkten (SA 12,3) eingeschlossen. Zusammenfassend wurden innerklinisch 127.739 verletzte Körperregionen dokumentiert. Von diesen wurden 68,8 % prähospital vom Notarzt richtig vermutet. Somit wurden 31,2 % verletzte Körperregionen nicht detektiert. In insgesamt 42.530 Fällen wurde eine Körperregion als verletzt vermutet, ohne dass sich der Verdacht innerklinisch betätigte. Bei den fehleingeschätzten Verletzungen wurden Schädel-Hirn-Traumata und Gesichtsverletzungen am häufigsten überdiagnostiziert (13,5 % bzw. 14,7 % notärztlich dokumentiert bei nichtvorliegender Diagnose). Thoraxverletzungen wurden am häufigsten unterdokumentiert (17,3 % notärztlich nichtdokumentiert bei abschließend gesicherter Diagnose). Die tatsächliche Gesamtmortalität aller Gruppen entsprach nahezu der erwarteten Mortalität, berechnet mit dem Revised Injury Severity Classification II(RISC II)-Score (12,0 % vs. 11,3 %).DiskussionIn der prähospitalen Phase der Versorgung von schwer verletzten Patienten wird die durch den Notarzt erfasste Gesamtverletzungsschwere gut eingeschätzt und korreliert mit den eingeleiteten Therapien, der Auswahl der Zielklinik als auch dem innerklinischen Verlauf sowie dem Outcome des Patienten. Die Erfassung von Verletzungen einzelner Körperregionen scheint prähospital jedoch herausfordernd zu sein.