Berichtet wird über eine 32jährige Patientin mit sekundärer männlicher Sterilität bei eugonadotroper Azoospermie. Beim ersten Behandlungsversuch wurde durch In-vitro-Fertilisation (IVF) mit intrazytopIasmatischer Spermieninjektion (ICSI) unter Verwendung testikulärer Spermien aus kryokonservierten Hodenbiopsien (testicular sperm extraction = TESE) eine Zwillingsschwangerschaft erzielt. Die Stimulation war mit rekombinantem FSH (Puregon®) unter mittzyklischer Suppression mit einem GnRH-Antagonisten (ganirelix 0,25 mg) im Rahmen einer Phase-II-Studie durchgeführt worden. Die Schwangerschaft verlief unkompliziert, bis die Patientin in der 26 + 0. Schwangerschaftswoche durch zahlreiche Hämatome aufgrund von Bagatelltraumata und einer Thrombozytopenie (76/nl) auffällig wurde. Unter der Verdachtsdiagnose eines HELLP-Syndroms erfolgte die weitere Abklärung, bei der sich eine makrozytäre Folsäuremangelanämie herausstellte (MCV 117 fl, Folsäure l,6ng/ml). Diese wurde als partielle perniziöse Anämie interpretiert. Eine weitere Diagnostik wurde von der Patientin abgelehnt. Nach entsprechender Substitution verlief die Schwangerschaft unkompliziert, bis in der 30 + 4. Schwangerschaftswoche bei vorzeitigem Blasensprung, unhemmbarer Wehentätigkeit und partieller Plazentalösung eines Zwillings die primäre Sektio durchgeführt wurde. Beide Kinder sind gesund und weisen keine Fehlbildungen, insbesondere keine Neuralrohrdefekte auf. Es handelt sich hierbei um die erste in Deutschland erzielte Schwangerschaft nach diesem Stimulationsprotokoll bei heute maximal möglicher Sterilitätstherapie (IVF/ICSI/TESE). Die Diagnose einer Folsäuremangelanämie bzw. einer partiellen perniziösen Anämie in der Schwangerschaft ist in Deutschland heutzutage eine absolute Seltenheit und kann daher leicht mit häufigeren Diagnosen verwechselt werden.
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