Abstract

Fragestellung: Da die strukturellen Gegebenheiten einer geburtshilflichen Abteilung offenbar Einfluss auf die Mortalitätszahlen von Frühgeborenen haben, sollte das tatsächliche geburtshilfliche Management der Frühgeburtlichkeit innerhalb einer bestimmten Region Nordrhein-Westfalens in Abhängigkeit von der Klinikgrösse eingehender studiert werden. Methodik: Datensätze von etwa 142 Kliniken, in denen 622 778 Geburten in den Jahren 1990–1996 erfasst waren, standen zur Verfügung (Perinatalerhebung Ostwestfalen-Lippe, OWL). Jeder Datensatz enthielt (anonym) die Leistungsziffern einer individuellen Klinik pro Jahr. Insgesamt waren dergestalt die Jahresdaten von 1003 Kliniken bekannt: 2 Abteilungen hatten in einem Kalenderjahr keine Frühgeburten zu verzeichnen. Die folgenden Variablen (jeweils pro Klinik pro Jahr) wurden verwendet: Anzahl der geborenen Kinder, Anzahl der perinatal verstorbenen Kinder, Anzahl der vom 1. bis zum 7. Tag verstorbenen Neonaten, Anzahl der Frühgeborenen ≤32. Schwangerschaftswoche (SSW) und Anzahl der Frühgeborenen zwischen der 33. und 37 SSW. In einer zweiten, analog strukturierten Datei waren in identischer Reihenfolge nur Daten von jenen Neugeborenen zusammengestellt, die durch eine Schnittentbindung zur Welt gekommen waren. Da beide Dateien computerintern im direkten Zugriff lagen, konnte die prozentuale Rate an auf vaginalem Weg geborenen Frühgeborenen für jede individuelle Klinik (pro Jahr) errechnet werden. Bei der statistischen Auswertung kamen nichtparametrische Tests zur Anwendung. Besonderer Wert wurde auf die verständniserleichternde graphische Darstellung des Datenmaterials in Form von Korrelationsdiagrammen gelegt. Ergebnisse: Die prozentuale Rate an Frühgeborenen im Raum Westfalen-Lippe ist in den 1001 Kliniken nicht zufällig verteilt: Der Median liegt bei 12,9, die 10. Perzentile bei 9,4 und die 90. Perzentile bei 18.5% (Mittelwert: 13,6 ± 4,7%). Mit zunehmendem Geburtenvolumen nimmt diese Rate (nicht linear) zu (p ≪ 0,001), ohne dass jedoch eine umfassende «Zentralisation» zu erkennen wäre. Dies gilt auch für die Frühgeburtlichkeit <32. SSW. Die prozentuale Rate an Schnittentbindungen bei Frühgeburtlichkeit (≤37. SSW) beträgt in OWL etwa 34%; unreife Frühgeborene (≤32. SSW) werden median in etwa 60% durch Schnitt zur Welt gebracht. Je geringer die prozentuale Rate an Frühgeborenen pro Abteilung, um so höher liegt – erstaunlicherweise – der Anteil der Frühgeborenen, die auf vaginalem Wege zur Welt gebracht werden (p ≪ 0,001). Dies gilt so auch für ganz unreife Frühgeborene. Je geringer das Geburtenaufkommen in einer Abteilung («Klinikgrösse»), um so grösser ist die prozentuale Rate an unreifen Frühgeborenen (≤32. SSW), die auf vaginalem Weg zur Welt kommen (p ≪ 0,001). Für die Frühgeburtlichkeit insgesamt (≤37. SSW) gilt: Je grösser der Prozentsatz an auf vaginalem Weg entwickelten Frühgeborenen/Klinik, um so geringer ist die Mortalitätsziffer vom 1. bis zum 7. Lebenstag. Für die unreifen Frühgeborenen (≤32. SSW) lässt sich allerdings kein signifikanter Zusammenhang mehr zwischen Geburtsmodus und Mortalitätsziffer vom 1. bis zum 7. Lebenstag nachweisen. Schlussfolgerungen: Eine wirkungsvolle Zentralisierung der Frühgeburtlichkeit hat im Raum OWL, der etwa die Hälfte von Nordrhein-Westfalen umfasst, bisher nicht stattgefunden: Kleine und ganz kleine Abteilungen haben Frühgeburtenraten um 12%. Kleine und ganz kleine Abteilungen bevorzugen offensichtlich auch bei den ganz unreifen Frühgeborenen den vaginalen Entbindungsweg, was sich eher günstig auf die Mortalitätsziffern auswirkt. Die Unreife als alleinige Sectio-Indikation muss neu überdacht werden.

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