Abstract

ZusammenfassungIm Kontext der COVID-19-Pandemie gewinnen zunehmend Gruppen an Sichtbarkeit, die sich als Anker in der Problembewältigung präsentieren und vermeintliche Lösungsansätze zum Umgang mit der Pandemie zur Verfügung stellen. In Teilen solcher Strömungen zeigt sich ein Hang zum Verschwörungsglauben sowie zu abergläubischen und esoterischen Deutungsmustern, die in den Protesten gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vermehrt zum Ausdruck kommen. Die Vermengung dieser Phänomene in einer gemeinsamen Protestbewegung wirft die Fragen auf, wie diese zusammenhängen und welche Rolle dabei religiöse Zugehörigkeiten und spirituelle Weltanschauungen einnehmen. In der vorliegenden Studie werden spirituelle Welt- und Wertebilder differenziert und religionsunabhängig erfasst, um diesen Fragen nachzugehen. Es lassen sich empirisch zwei Formen der Spiritualität, die aktive und passive Spiritualität voneinander trennen, die sich in den Dimensionen Weltbild und Ethik, Wertekanon und Sinnempfinden teils diametral gegenüberstehen. Es zeigen sich unterschiedliche Effekte dieser beiden Spiritualitätsformen auf die Offenheit gegenüber alternativen und esoterischen Welterklärungen sowie auf die Ausprägung von Skepsis gegenüber der Wissenschaft. Die spirituellen Elemente tragen auch zur Klärung des Glaubens an Verschwörungserzählungen, der Unterstützung von Corona-Demonstrationen und einer diesbezüglichen Teilnahmebereitschaft bei. Dabei wirkt die aktive Spiritualität als Schutzfaktor und die passive Spiritualität demgegenüber als verstärkender (Risiko‑)Faktor für die Auftretenswahrscheinlichkeit von sowohl Verschwörungsglauben als auch Protestbereitschaft. Insgesamt zeigt sich, dass eine mehrdimensionale Erfassung von Spiritualität zur Erklärung von verschwörungstheoretischen und protestrelevanten Einstellungen beiträgt. Auf diese Weise können zudem bisherige ambivalente Befunde der Forschung zu den Effekten von Spiritualität als Resilienz- bzw. Risikofaktor für solche Einstellungen und Verhaltensbereitschaften ausdifferenziert werden.

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