Moral Enhancement wird von einer Reihe einflussreicher Bioethiker propagiert, zum Teil mit dem Anspruch, dass nur dadurch die Menschheit vor ihrem selbstverschuldeten Untergang zu retten sei. Nachdem begrundete Zweifel an der Eignung der zum Moral Enhancement vorgeschlagenen Psychopharmaka aufgekommen sind, wurden neurochirurgische Interventionen, insbesondere die Tiefe Hirnstimulation, vorgeschlagen. Diese Ad-hoc-Vorschlage stutzen sich auf eine Handvoll neurochirurgischer Eingriffe an geistig schwer behinderten Menschen sowie die Psychochirurgie des letzten Jahrhunderts. In diesem Aufsatz geht es erstens um die Frage, ob Moral Enhancement durch neurochirurgische Methoden uberhaupt moglich ist und, wenn ja, inwiefern, und zweitens um die Frage nach dessen ethischer Vertretbarkeit, sofern es moglich ist. Mit den bisher vorgeschlagenen Methoden des neurochirurgischen Moral Enhancement konnte man zwar Aggressionen oder den Sexualtrieb reduzieren, sodass weniger Selbstkontrolle erforderlich ware, um moralisch angemessen zu handeln. Theoretisch denkbar, aber bisher nicht durch empirische Evidenz gestutzt, ist, dass neurochirurgische Eingriffe die Selbstkontrolle verbessern konnten. Nach dem Modell der moralischen Intelligenz von Carmen Tanner und Markus Christen lasst sich zeigen, dass dadurch allenfalls eine Komponente der moralischen Intelligenz verbessert werden konnte, namlich die moralische Standhaftigkeit. Keiner der bisherigen Vorschlage zielt dagegen auf die Verbesserung der anderen vier Komponenten, also des moralischen Kompasses, der moralischen Sensibilitat, der moralischen Urteilsfahigkeit und der moralischen Motivation. Ein umfassendes Moral Enhancement durch neurochirurgische Eingriffe ist mit den gegenwartig verfugbaren oder vorgeschlagenen Methoden also nicht moglich. Allenfalls lasst sich in Zukunft durch Closed-Loop-Systeme, die bestimmte Impulse automatisch herunter regeln, ein moralkonformeres Verhalten erreichen. Eine nur technisch induzierte Verhaltensverbesserung ware allerdings hochstens unter Zugrundelegung eines utilitaristischen Moralverstandnisses als moralische Verbesserung anzuerkennen.
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