Abstract

ZusammenfassungDieser Artikel beleuchtet die tragende Rolle, die Umweltdenken und Umgebungswissen für die Legitimation traditioneller Geschlechterrollen im 20. Jahrhundert spielten. Gezeigt wird, auf welche Weise einflussreiche psychologische und psychoanalytische Konzepte der Kindes- und Persönlichkeitsentwicklung Frauen dazu anhielten, sozio-naturale Umwelten herzustellen, ja, selbst Umwelt zu sein. Expertinnen und Experten verschiedener Denkrichtungen und Generationen propagierten ein ganz ähnliches Bild femininer „Environmentalität“, das heißt: der Disposition und Bestimmung der Frau, Umwelten zu erzeugen und zu verkörpern, die eine gesunde Kindesentwicklung ermöglichen und das Wohlbefinden und den Erfolg des Mannes, gar den Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung begünstigen sollten. Dieses Konstrukt weiblichen Umwelt-Seins verpflichtete Frauen auf Ehe und Vollzeitmutterschaft und fixierte sie in Raum und Zeit. Sein reaktionärer Gebrauch in Auseinandersetzungen über alternative weibliche Lebensentwürfe demonstriert, dass leitende Konzeptionen von Entwicklung, Wohlergehen und Identität nicht nur androzentrisch, sondern antifeministisch waren.

Highlights

  • Dieser Artikel beleuchtet die tragende Rolle, die Umweltdenken und Umgebungswissen für die Legitimation traditioneller Geschlechterrollen im 20

  • It was becoming clear to me that motherhood was an institution fathered by masculine consciousness

  • This male consciousness was male unconsciousness. It needed its female partners who were mothers to stamp on her own desires and attend to his desires, and to everyone else’s desires. (Deborah Levy, Things I don’t want to know)

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Summary

Susanne Schmidt

Umwelt-Sein oder „Environmentalität“ – die Fähigkeit und Verantwortung, günstige Umweltbedingungen zu schaffen, gar zu verkörpern – kam für Winnicott weiblicher Identität gleich, wie er mit seinen einflussreichen Begriffen der „good enough“ oder „ordinary devoted mother“ zum Ausdruck brachte: der Frau, die nichts Außergewöhnliches tat und „nichts weiter als sie selbst“ sei, sondern bloß dem folge, was der Analytiker als ihre innere Natur beschrieb, indem sie sich um ihr Kind kümmerte ( e [ b]: ; a [ ]: ). Für das Verständnis von Winnicotts Konzept der Environmentalität von besonderer Relevanz ist schließlich, dass der Begriff der „normalen“ oder „gewöhnlichen“ Mutter die mütterliche Fürsorge als eine Frage des Instinkts darstellte und auf diese Weise nicht nur naturalisierte, sondern auch abwertete. Als Umwelt des Kindes hatte die Mutter keine unabhängige Persönlichkeit, sondern war stattdessen als Funktion und Bezugsperson des Kindes definiert, als „Objekt“, nicht Subjekt im psychoanalytischen Sinne (Dever : )

Die Zeit anhalten
Die zweigeteilte Entwicklung
Scham und Zweifel
Der innere Raum
Krise der Männlichkeit
Environmentalität und Antifeminismus
Literatur
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