Abstract

ZusammenfassungDer Beitrag setzt sich mit der wissenschaftlichen Politikberatung während der Anfangsphase der Coronakrise in Deutschland auseinander. Angesichts einer unbekannten virologischen Gefahr wurde Nichtwissen neu bewertet und das Verhältnis von resp. die Interaktion zwischen Politik und Wissenschaft neu organisiert. Jedoch zeigt sich bei der näheren Betrachtung der wissenschaftlichen Politikberatung, dass nur wenige Disziplinen eingebunden und die Sozialwissenschaften sogar weitgehend ignoriert wurden. Zur Erklärung dieser Einseitigkeit entwickelt der Beitrag die These, dass vor allem die Absicht zur Kontrolle des Nichtwissens in der Politik und der Wissenschaft für die weitgehende Ignoranz sozialwissenschaftlicher Expertise verantwortlich war. Dazu wird zunächst in den Zusammenhang von Wissen und Nichtwissen eingeführt und werden die verschiedenen Nichtwissensstrategien in Politik und Wissenschaft vorgestellt. Daraufhin wird die Dynamik der Interaktion wissenschaftlicher Politikberatung in den ersten Wellen der Pandemie rekonstruiert. Dabei wird erstens die Entstehung und Strukturierung der Beratung beschrieben und zweitens gezeigt, wie darin Nichtwissen (nicht) bearbeitet wurde. Die Ergebnisse der Rekonstruktion werden schließlich systematisiert im Hinblick auf die Entstehung eines Nichtwissensregimes, das für die Ungleichbehandlung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen verantwortlich war und ist. Für zukünftige Konstellationen, so das Resümee, ist der Rückgriff auf kontextualisierende Nichtwissenskonzepte der Sozialwissenschaften zu empfehlen, zumal mit Blick auf Sekundärfolgen, die weit über das kurzfristige Interesse an der Infektionseindämmung hinausweisen.

Full Text
Published version (Free)

Talk to us

Join us for a 30 min session where you can share your feedback and ask us any queries you have

Schedule a call