Abstract

ZusammenfassungBehandlungsentscheidungen bei Frühgeburten an der Grenze der Lebensfähigkeit stellen eine große Herausforderung dar. In der Neonatologie hat sich das Konzept einer prognostischen Grauzone etabliert, die als ein Grenzbereich verstanden wird, in dem sich aus medizinischer Sicht die Nutzen-Risiko-Abwägung aufgrund der unsicheren Prognose sehr schwierig gestaltet und sich aus ethischer Sicht sowohl eine kurative als auch eine palliative Versorgung prinzipiell rechtfertigen lassen. Innerhalb der Grauzone wird zumeist eine gemeinsame Entscheidungsfindung mit den Eltern in Form eines „shared-decision making“ (SDM) favorisiert, die sich an dem besten Interesse des Neugeborenen orientieren soll. Allerdings findet sich kein Konsens dazu, wie diese Anforderungen umzusetzen sind. Im vorliegenden Beitrag werden unter Einbeziehung der empirischen Studienlage ethische Anforderungen an die Umsetzung des SDM formuliert. Es wird gezeigt, dass Eltern bzw. Schwangere unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Art ihrer Einbindung haben. Hieraus ergibt sich aus ethischer Sicht die Anforderung, im Rahmen des SDM gemeinsam herauszuarbeiten, welche Rolle sie bei der Entscheidungsfindung einnehmen wollen und welche Präferenzen und Werte für sie bei der Therapieentscheidung von Relevanz sind. Zudem wird in unserer Untersuchung auf die Frage eingegangen, inwiefern die zu erwartende Lebensqualität der Kinder in die Bestimmung des besten Interesses der Neugeborenen einbezogen werden kann. Es wird gezeigt, dass in der prognostischen Grauzone neben den Präferenzen der Eltern bzw. Schwangeren gegenwärtig kaum Kriterien zur inhaltlichen Bestimmung des besten Interesses des Neugeborenen zur Verfügung stehen – ein wesentlicher Grund, der aus ethischer Sicht für die Implementierung des skizzierten Modells des SDM spricht.

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