Abstract
ZusammenfassungAls Prinzip für die Herstellung und Legitimation sozialer Ordnung gilt Meritokratie entweder als normativer Maßstab moderner Gesellschaften oder als eine von der Empirie sozialer Ungleichheiten laufend widerlegte Ideologie. Der Beitrag wählt einen anderen Ausgangspunkt und widmet sich den Herausforderungen der konkreten Umsetzung des abstrakten Leistungsprinzips. Anhand von Berufungsakten zu 145 Berufungsverfahren aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird ein spezifisches Problem rekonstruiert: Meritokratie ist in Berufungsverfahren nicht das einzige Prinzip zur Herstellung und Legitimation sozialer Ordnung. Die Besetzung von Professuren ist nicht nur an der Bestenauslese, sondern auch an der sozialen Passung von Kandidatinnen und Kandidaten orientiert. In der Praxis entsteht so das Ordnungsproblem, die Orientierung an Leistung mit der Orientierung an sozialer Passung zu vereinbaren. Der Beitrag zeigt, erstens, dass dieses Problem überhaupt erst entsteht, als das meritokratische Prinzip in den 1970er-Jahren so verbindlich wird, dass Leistungszuschreibungen die alleingültige Rechtfertigung für Berufungsentscheidungen sind. Zweitens wird herausgearbeitet, wie Gutachterinnen und Gutachter und Kommissionen mit diesem Ordnungsproblem umgehen und die meritokratische Bestenauslese in Berufungsverfahren mit der sozialen Passung von Kandidatinnen und Kandidaten vereinbaren. Der Beitrag trägt zu einem differenzierteren Verständnis des Leistungsprinzips bei, indem er praktische Probleme bei der konkreten Umsetzung des meritokratischen Prinzips beleuchtet.
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