Abstract

Die Jahrzehnte zwischen 1870 und 1930 waren mit Blick auf die Geschichte der deutschen Juden von einer gegenläufigen Entwicklung bestimmt: Einerseits vollendete sich deren rechtlicher Emanzipationsprozess; andererseits etablierte sich mit dem biologistischen Rassenantisemitismus eine radikale, eliminatorisch ausgerichtete Ideologie, die Eingang auch in den politischen Diskurs fand. Inwiefern spiegelte sich diese Ambiguität in den jüdisch-nichtjüdischen Alltagsbeziehungen jener Jahre? Wie war es um die Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden bestellt? Der vorliegende Beitrag untersucht am Beispiel der Hansestadt Hamburg die Verbreitung antijüdischer Stereotype sowie exkludierender wie inkludierender Verhaltensweisen im städtischen Alltag zwischen 1890 und 1914. Neben dem Wohn-, Konsum- und Heiratsverhalten steht das Freizeitverhalten in Vereinen und Gastwirtschaften im Vordergrund. Herausgearbeitet wird, wie sich ungeachtet aller Vorbehalte und Ressentiments gegenüber Juden ein fortschreitender Integrationsprozess vollzog, der jedoch je nach sozialer Schicht höchst unterschiedlich verlief und immer wieder auch an Grenzen stieß. Selbst im Falle engerer jüdisch-nichtjüdischer Kontakte blieb sehr oft ein Rest an sozialer Distanz erhalten.

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