Abstract

Hintergrund: Komplementärmedizinische Therapieverfahren kommen in der hausärztlichen Versorgung in Deutschland häufig zum Einsatz. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, den diagnostisch-therapeutischen Prozess und wesentliche Wirkfaktoren beim Einsatz von Komplementärmedizin (KM) aus Sicht von Hausärzten zu untersuchen. Methodik: Im Rahmen eines qualitativen Ansatzes wurden drei leitfragengeführte Fokusgruppen mit 17 Hausärzten durchgeführt. Die Gruppendiskussionen wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. Ergebnisse: Aus Sicht von Hausärzten ist der diagnostisch-therapeutische Prozess in der KM komplex und weniger von der angewendeten Methode als sehr stark von methodenunabhängigen Faktoren geprägt. Ausgehend vom Textmaterial der Fokusgruppen wurden vier Hauptkategorien identifiziert, die beim hausärztlichen Einsatz von KM eine wesentliche Rolle spielen: patientenseitige Faktoren, arztseitige Faktoren, Beziehungsfaktoren und methodenübergreifende Faktoren. Als relevante persönliche Faktoren des Patienten wurden Konstitution, Erwartungshaltung und Wertvorstellungen genannt. Empathie, Wertschätzung und Authentizität galten als wichtige Faktoren des Arztes. Für die Beziehung spielten nach Meinung der Hausärzte insbesondere Faktoren wie Zeit, Vertrauen, Passung, Machtverhältnisse und gemeinsame Rituale eine wichtige Rolle. Diskussion: Aus Sicht von Hausärzten wird der diagnostisch-therapeutische Prozess als Kreisprozess verstanden, in dem patientenseitige, arztseitige und Beziehungselemente sowie methodenübergreifende Faktoren eng miteinander verflochten sind. Unter dieser Vorstellung wird KM in der hausärztlichen Praxis breit eingesetzt, wobei genügend Zeit mit und für den Patienten und eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung Grundvoraussetzungen sind. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Ökonomisierung in der Medizin besteht allerdings die Gefahr, dass KM prozessualisiert wird, d.h. in Einzelteile zerlegt und von der Arzt-Patient-Beziehung abgekoppelt wird, was ihre Wirksamkeit in der alltäglichen Versorgungspraxis gefährdet.

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