Abstract

Mit der von der WHO erarbeiteten und für Deutschland durch das BfArM in deutscher Übersetzung bereitgestellten neuen ICD-11 steht dem Gesundheitssystem eine Umstellung bevor, die mehr ist als ein einfacher Wechsel eines medizinischen Kodiersystems. Die ICD-11 modernisiert die Kodiersystematik zum Beispiel dahingehend, dass neue, separate Gesundheitszustände – Schlaf-Wach-Störungen und Bedingungen im Zusammenhang mit sexueller Gesundheit – aufgenommen und die entsprechenden Erkrankungen damit besser sichtbar werden. Die ICD-11 ist präziser als die ICD-10: Sie erlaubt Querverbindungen zwischen Diagnosen, Symptomen, Funktionen und Lokalisationen und gibt die strenge Hierarchisierung der ICD-10 in Teilen auf. Außerdem werden mehr Seltene Erkrankungen mit einem eigenen, spezifischen Code abgebildet als dies bisher der ICD-10 ermöglicht hat. Schließlich ist die ICD-11 auch deutlich „moderner“ als die (noch aus vordigitalen Zeiten stammende) ICD-10. Sie ist insofern moderner, als sie neue, digital unterstützbare Prozesse ermöglicht, zum einen soweit es die Aktualisierung der Systematik – Stichworte Flexibilität und Nachhaltigkeit – betrifft, zum anderen in Bezug auf das eigentliche Kodieren am Point-of-Care. Der Umstieg auf die ICD-11 kann für das deutsche Gesundheitswesen eine große Chance sein, die gemeinsam ergriffen werden sollte. Profitieren wird die (Versorgungs-)Forschung, die im besten Fall mit sehr viel detaillierteren und korrekteren Datensätzen arbeiten kann. Aber auch die medizinische Versorgung hat einen Nutzen, weil die ICD-11 den aktuellen Stand des medizinischen Wissens abbildet. Außerdem werden bestimmte Erkrankungsentitäten aus dem bisherigen psychiatrischen Kontext herauslöst, die Betroffenen somit nicht mehr über die Zuordnung in der ICD stigmatisiert werden, und weil mit der besseren Kodierbarkeit von Diagnosen letztlich auch die Voraussetzungen für leitlinienbasierte Therapien verbessert werden. Ein Selbstläufer wird der Umstieg aber nicht. Als Herausforderungen – auch für die Versorgungsforschung – sind insbesondere die Latenz von Einführung und gleichförmiger Nutzung sowie die erforderliche Änderung von Kodiergewohnheiten zu nennen. Damit die ICD-11 in Deutschland ein Erfolg wird, müssen daher alle Anwendungsfelder gemeinsam an der Einführung arbeiten. Behörden, Ärzteschaft, Kostenträger und Betroffene müssen gemeinschaftlich über Strategien nachdenken, wie eine nicht nur zügige, sondern auch umfassende Einführung gelingt, mit der sich die Potenziale, die in der ICD-11 stecken, bestmöglich heben lassen. With the new ICD-11 developed by the WHO and translated in German for Germany by the Federal Institute for Drugs and Medical Devices, the German healthcare system is facing a change that is more than a simple change of a medical coding system. The ICD-11 modernises the coding system, for example, by including new, separate health conditions such as sleep-wake disorders and conditions related to sexual health, thus making the corresponding diseases more visible. The ICD-11 is more precise than the ICD-10: it allows cross-referencing between diagnoses, symptoms, functionality and locations and partially abandons the strict hierarchy of the ICD-10. In addition, a greater number of rare diseases are represented with their own specific code than was previously possible with ICD-10. Finally, the ICD-11 is also significantly more "modern" than the ICD-10 (which dates back to pre-digital times) in that it enables new, digitally-supported processes, such as keywords flexibility and sustainability when updating the system; and actual coding at the point of care. The switch to ICD-11 can be a great opportunity for the German healthcare system that should not be missed. It will benefit health service research, which at best will be able to work with much more detailed and correct data sets. But medical care will also benefit because the ICD-11 reflects current medical knowledge. In addition, certain illnesses will be removed from the psychiatric category, meaning that those affected will no longer be stigmatised by their classification in the ICD. The improved coding of diagnoses will ultimately also support guideline-based treatments. However, the changeover is only the first step. The challenges - also for health service research - include in particular the latency of introduction and uniform use as well as the necessary change in coding habits. For ICD-11 to be a success in Germany, all areas of application therefore must work together on its introduction. Authorities, the medical profession, payers and patients must work together on strategies to ensure not only a rapid but also a comprehensive implementation that maximises the potential of ICD-11.

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