Abstract

Die Misophonie ist eine Intoleranz auf bestimmte Alltagsgeräusche. Hierbei fungieren als „Trigger“ „menschliche Körpergeräusche“, z. B. Schlucken/Schmatzen/Atemgeräusche oder Geräusche, die von Menschen, aber nicht vom menschlichen Körper erzeugt werden (z. B. Klicken Kugelschreiberknopf), ferner Tier‑/Maschinengeräusche. Die Betroffenen verspüren sofort eine negativ-emotionale Reaktion wie Wut, Aggression, Ekel u.a. Objektivierbare Veränderungen sind Herzfrequenzerhöhung und Blutdruckveränderungen. Die emotionale Reaktion ist individuell und hängt z. B. von Geräuschart, persönlicher Vorerfahrung, sozialem Kontext oder psychologischem Profil ab. Die Misophonie ist bisher als Krankheit nicht definiert und keinem offiziellen Diagnosesystem zugeordnet, sie scheint eine eigenständige Störung zu sein: Assoziationen bestehen u. a. mit Aufmerksamkeits‑/Zwangsstörungen, Tinnitus, Hyperakusis, Autismus-Spektrum-Krankheiten. Definitionskriterien wurden 2013 veröffentlicht; verschiedene, validierte Fragebögen wurden bisher zur Misophonieausprägung entwickelt. Studien mit funktionellen MRT-Untersuchungen des Kopfes zeigten eine übermäßige Aktivierung des anterioren Inselkortex (AIC) und seiner benachbarten Regionen, die für Emotionsverarbeitung/-regulation verantwortlich sind. Bisher gibt es keine randomisierten kontrollierten Studien zur Therapie. Einzelne Publikationen beschreiben kognitive Verhaltensinterventionen, Retrainingtherapien und Schallmaskierungssysteme. Zur Triggerreduktion werden Ohrstöpsel/Musikkopfhörer verwendet. Auch HNO-Ärzte können mit Misophoniepatienten konfrontiert werden, z. B. zur Klärung des Hörvermögens oder Beratung von Therapiemöglichkeiten. Der Bericht stellt eine Übersicht des aktuellen Wissensstands zur Misophonie sowie ihrer Diagnostik und Therapie dar.

Highlights

  • Wissenschaftlich zeigte sich seit 2013 ein größeres Interesse [50]

  • Diese Kriterien sind nicht unbestritten, weil u. a. das Kriterium „Zorn“ nicht immer zuträfe und dies in der Diagnose der Misophonie berücksichtigt werden müsste [41]

  • Schröder A, Vulink NC, van Loon AJ, Denys DA (2017) Cognitive behavioral therapy is effective in misophonia: an open trial

Read more

Summary

Übersicht und aktueller Wissensstand

Heinz Funke war fünf, als er die Schuhe seiner Mutter mit einer Schere zerstörte. Er ritzte die Schnallen an und behauptete, der Hund habe sie zerkaut. Auch Alltagsgeräusche können Triggergeräusche sein, die von Menschen, aber nicht direkt vom menschlichen Körper erzeugt werden, wie z. Betroffene zeigen oft ein Vermeidungsverhalten mit Einschränkung des Bewegungsradius, brechen soziale Kontakte ab [13, 19], verlassen im Extremfall kaum noch den eigenen Wohnbereich, fahren nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, brechen Ausbildungen oder das Studium ab und sind nicht oder nur sehr begrenzt arbeitsfähig [28, 53], Kinder mit Misophonie können nicht mehr in der Lage sein, mit der Familie zu essen [19, 28] oder zur Schule zu gehen [9]. Die Misophonie ist bisher als Krankheit nicht definiert und keinem offiziellen Diagnosesystem zugeordnet, sie scheint eine eigenständige Störung zu sein: Assoziationen bestehen u.

Seiten umblättern
Neuronale Korrelate
Einhaltung ethischer Richtlinien
Literatur
Full Text
Published version (Free)

Talk to us

Join us for a 30 min session where you can share your feedback and ask us any queries you have

Schedule a call