Abstract

HintergrundMedizinische Zwangsmaßnahmen stellen stets einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit sowie das Recht auf Selbstbestimmung des Patienten dar. Ist ein Patient inhaftiert, mithin ohnehin bereits in seinen Grundrechten stark eingeschränkt, und muss die Zwangsmaßnahme zudem in einer Justizvollzugsanstalt stattfinden, so stellt dies für alle Beteiligten – insbesondere für den anordnenden Psychiater – eine besondere Herausforderung dar.Ziel und MethodeDieser Artikel soll die psychiatrische Versorgung psychisch erkrankter Menschen im Justizvollzug darstellen, die juristischen Voraussetzungen einer Zwangsmedikation erläutern und Empfehlungen für geeignete Rahmenbedingungen geben.Ergebnisse und DiskussionFür psychisch erkrankte Menschen in Haft gibt es in Deutschland keine Pflichtversorgungslösung entsprechend der Psychisch-Kranken-Gesetze, sodass diese bei schweren Erkrankungen nicht regelhaft einer stationär-psychiatrischen Versorgung zugeführt werden können. Dies kann zur Folge haben, dass bei ungünstigen Krankheitsverläufen eine Zwangsmedikation innerhalb des Justizvollzugs erwogen werden muss. Die Zwangsmedikation im deutschen Justizvollzug nimmt im Vergleich zur Zwangsmedikation in psychiatrischen Kliniken dabei eine Sonderstellung ein, da Ärzte in den meisten Bundesländern eine solche ohne richterliche Beteiligung anordnen können. Die Landesgesetzgeber sollten prüfen, ob hier eine gesetzliche Anpassung erforderlich oder sinnvoll wäre. Da die Umstände (rechtlich und versorgungstechnisch) für inhaftierte Patienten von denen in Kliniken stark abweichen, sollten die Rahmenbedingungen einer Zwangsmedikation wohl überlegt sein. Wir empfehlen das Hinzuziehen einer ethischen Fallberatung, wenn die Entscheidung ohne richterliche Beteiligung getroffen wird, sowie die Verlegung auf psychiatrische oder zumindest medizinische Krankenhausstationen zur Durchführung der Zwangsmedikation.

Highlights

  • Coercive medical measures always represent an encroachment on the patient's basic right to physical integrity and right

  • This amounts to a special challenge

  • This article is aimed at describing the psychiatric care of people with mental disorders

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Summary

Situation in Deutschland und Empfehlungen für die Praxis

In Westeuropa und den USA wird seit über 80 Jahren über einen Zusammenhang zwischen der Zahl stationärpsychiatrischer Betten und der Zahl an Gefängnisinsassen diskutiert. Diese „Forensifizierung“ schwer kranker Patienten dürfte auch begünstigt haben, dass die Rechtsprechung die zu begründenden Voraussetzungen für eine Zwangsmedikation außerhalb des Justizvollzuges in den letzten Jahren konkretisiert und dadurch erhöht hat. Dies lässt die Vermutung zu, dass einzelne psychisch erkrankte Menschen aufgrund einer unterlassenen Zwangsmedikation straffällig geworden sind und so in den Justizvollzug gelangten. Auch in Zukunft ist daher zu befürchten, dass bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen die Zahl der inhaftierten Menschen, die nicht behandelt, schwer krank und weder krankheits- noch behandlungseinsichtig sind, hoch bleiben wird. Der vorliegende Artikel soll deshalb nach einer Einführung zur Versorgungssituation psychisch erkrankter Menschen in deutschen Gefängnissen auf die juristischen Voraussetzungen und geeignete Rahmenbedingungen für Zwangsmedikation in Haft eingehen

Die Versorgung psychisch erkrankter Menschen in Haft
Die juristischen Voraussetzungen für Zwangsmedikation in Haft
Schaffung geeigneter Umgebungsbedingungen
Fazit für die Praxis
Einhaltung ethischer Richtlinien
Literatur
In eigener Sache
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