Abstract

Verortung entspricht der raumlichen Verankerung von Diskursreferenten im Gebardenraum und fungiert als ein machtiges, aber nicht notwendigerweise obligatorisches Mittel, um Referenten zu verfolgen und Koharenz im Diskurs von Gebardensprachen aufrechtzuerhalten. Dabei stellt sich die Frage was in der Abwesenheit overter Verortung passiert. Die vorliegende Dissertation thematisiert diese Frage mit Hilfe der Untersuchung potentieller Faktoren, die das Verstehen des pronominalen IX und die Produktion referentieller Ausdrucke beeinflussen. Dabei werden Daten in Deutscher Gebardensprache (DGS) und Turkischer Gebardensprache (TID), erhoben in einem Referentenauswahlaufgabe und einer Satzweiterfuhrungsaufgabe, vergleichend betrachtet. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen das raumliche Standards bei der Verortung, deren Verwendung bei der Einfuhrung und der Verfolgung von Referenten in gebardensprachlichen Diskursen gezeigt wurde (Steinbach & Onea 2016; Wienholz, Nuhbalaoglu, Mani, Herrmann & Steinbach 2018), nur in begrenzten Kontexten (d.h. mit reziproken Verben) zum Verstehen eines pronominalen IX angewandt werden. Bei der Produktion werden raumliche Standards nur selten verwendet und zeigen deutliche intra- und intersprachliche Variation. Wahrend das bevorzugte Standardmuster fur DGS ipsi–contra (unabhangig von Handigkeit) ist, zeigt TID hauptsachlich ein rechts–links Muster fur Sprachverstehen und ein links–rechts Muster fur Sprachproduktion (unabhangig von Handigkeit). Daruber hinaus wird ein moglicher Einfluss der folgenden Konventionen auf die Salienz von Referenten beobachtet: (i) semantische und morpho-syntaktische Eigenschaften der Verbklassen (z.B. einfache Verben unterstutzen Objektpraferenz), (ii) Strategien der Perspektive (DGS Signer bevorzugten die Perspektive des Sprechers und rotieren den Gebardenraum um 1800 wahrend TID Signer die Adressatenperspektive einzunehmen scheinen und den Gebardenraum spiegeln), (iii) der referentielle Wert des pronominal IX an sich (z.B. Referenz zu Entitaten mit niedrigem Zugangsstatus), (iv) die Struktur des Diskurskontexts (z.B. potentieller Unterschied zwischen Aufrechterhaltungs- und Wiedereinfuhrungskontext im Hinblick auf die Produktion von IX Gebarden), (v) die Art der Koharenzbeziehung zwischen den Satzen (z.B. kausale Beziehung rufen mehrheitlich Objektpraferenz hervor). Die Erkenntnisse der vorliegenden Dissertation unterstreichen den Einfluss verschiedener modalitatsspezifischer (z.B. Gebardenraum) und modalitatsunabhangiger (z.B. Verbsemantik) und sowohl Probanden-bezogener (z.B. Handigkeit) als auch sprachspezifischer (z.B. Interaktion mit dem Gestensystem der umgebenen Lautsprache) Konventionen bei der Auflosung anaphorischer und der Produktion referentieller Ausdrucke. In Anbetracht dessen wird die Notwendigkeit einer integrierten Theorie der Anaphernresolution, die die der oben genannten Aspekte berucksichtigt, und eines multidimensionalen Ansatzes zur Salienz verdeutlicht.

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