Abstract

ZusammenfassungWährend der COVID-19-Pandemie war der Einsatz von Hygiene- und Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des neuartigen Virus erforderlich. Das Gebot der sozialen Distanzierung stellt dabei besondere Herausforderungen an das System Strafvollzug, was für die ohnehin im Freiheitsentzug befindlichen Gefangenen zusätzliche – allerdings unverschuldete – Einschränkungen bedeutete. Denkbar ist, dass sich auch hinsichtlich deren Wahrnehmung und Zweckattribution seitens der Inhaftierten Besonderheiten zeigen. So widmet sich dieser Beitrag sowohl der Wahrnehmung und Akzeptanz der pandemiebedingten Maßnahmen durch deutsche Strafgefangene (n = 956) als auch dem diesbezüglichen Einfluss der anstaltsseitigen Begründung und Erklärung. Die Kommunikation der Maßnahmen erfolgte gemäß der Auskunft der befragten Inhaftierten größtenteils schriftlich, aber auch mündlich durch das Personal. Qualitative Daten legen die Unzufriedenheit mit der Maßnahmenvermittlung nahe, und auch die quantitativen Befunde zur Zweckattribution zeigen, dass die Maßnahmen nicht nur als Schutz und Fürsorge, sondern auch als Schikane wahrgenommen wurden. In Bezug auf altersbedingte Unterschiede zeigt sich, dass ältere Inhaftierte die Maßnahmen weniger ablehnen und sie eher als Fürsorge und Schutz interpretieren. Zusammenhänge zeigen sich zwischen einer begründungsorientierten Vermittlung und einer günstigen Zweckattribution sowie einer geringeren Ablehnung der Maßnahmen. Letztlich findet sich eine partielle Mediation des Effekts einer nichtbegründungsorientierten Vermittlung auf die Ablehnung der Maßnahmen durch deren Attribution als Schikane. Wenn es um die Einhaltung von Schutzmaßnahmen geht, ist man auch im Zwangskontext Strafvollzug auf die eigenverantwortliche Kooperation der Gefangenen angewiesen, die wiederum nicht durch begründungsloses Anordnen entsteht.

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