Abstract

Der Artikel ist der Genese und Transformation des Konzepts der historischen Poetik gewidmet, die in den Arbeiten des Akademikers A. N. Veselovskij gepragt worden ist. Der grandiose Entwurf des russischen Wissenschaftlers — die historische Poetik der Weltliteratur — wurde, bekannterweise, von seinem Autor nur teilweise verwirklicht, aber das von ihm geschaffene Modell der kulturhistorischen Entwicklung des asthetischen und kunstlerischen Bewusstseins wirkte in verschiedenen Formen des wissenschaftlichen Diskurses des 20. Jahrhunderts nach und verlor seine Bedeutung bis heute nicht. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung uber den positivistischen Charakter der Veselovskij — Methodologie werden jene Elemente seines Denkens hervorgehoben, die auf die Tradition der romantischen Geschichtsphilosophie zuruckgehen. Laut Veselovskij stellt die Weltliteratur keine Sammlung vereinzelter oder nur teilweise zusammenhangender Fakten dar, sondern ein dynamisches System, das eine Analogie mit dem Modell des Weltprozesses in der russischen Alleinheits-Metaphysik moglich macht: Vom anfanglichen Synkretismus uber Differenzierung und Trennung zur polyphonen „Einheit der Vielheit“ zur „transrationalen Einheit von Getrenntheit und Durchdringung“ (S. Frank). Das Konzept von Veselovskij leitet die Herausbildung des Problemfeldes ein, in dem unterschiedliche Ansatze der russischen Literaturtheorie mit Methoden und Konzepten der deutschen philosophischen Literaturwissenschaft sowohl auf der Ebene typologischer Zusammenhange, als auch auf der und kontaktbezogener Beziehungen korrelieren und beeinflussen. Dies gilt erstens fur das Konzept von drei aufeinanderfolgenden Typen des kunstlerischen Bewusstseins, die von Veselovskij skizziert, aber erst in der russischen Literaturwissenschaft der 1980 / — 1990er Jahre unter dem Einfluss von Ernst Robert Curtius begrundet wurde, zweitens, fur die Dichotomie von Stil und Synkretismus in Renate Lachmanns Studie „Literatur und Gedachtnis“ (1990), drittens fur die Analogie zwischen der „Poetik der Modalitat“ in der „Historischen Poetik“ (2001) von Samson N. Broytman und der „transzendentalen Texttypologie“ in „Die Asthetik der Moderne“ (2001) von Silvio Vietta.

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